Kultur
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Auf dem Stickvorlagen-Alphabet: In dem Buch „Mann & Hund" treten auch Mosi und Daisy auf. Abbildung Museum für Angewandte Kunst
Hundeleben
Ausstellung mit Gemälden und Büchern von Burgi Kühnemann im Museum für Angewandte Kunst
Herr und Hund: ein urdeutsches The­ma. Das 1945 ebensowenig beendet war, wie es 1933 angefangen hat. Aber in jenen zwölf Jahren des „Tausendjährigen Reichs" hat das Sujet der öffentlichen Tier­liebe einige unvergeßliche Facetten gewon­nen. Des Menschen bester Freund wurde Teil der Selbstinszenierung des „Führers". Eine Variante des nationalsozialistischen Hauptmotivs von Befehl und Gehorsam. Ein Inbild von wilder wölfischer Natur, die nur ein stählerner Wille zu zähmen ver­mag. Aber wie die gesamte Naturbetrach­tung in der damals offiziell geförderten Bildsprache stellte sich auch das Verhält­nis des Volksgenossen und seiner Leitwöl­fe zu Schäferhund oder Schnauzer in Bil­dern des sauersten Kitschs dar.
Die 1935 in der Eifel geborene Malerin und Buchkünstlerin Burgi Kühnemann nimmt es unendlich geduldig und sanft iro­nisch statt keulenhaft-korrekt mit dem Nazikitsch auf, aber auch mit dem ganz normalen Kitschbedürfhis des durch­schnittlichen Deutschen. Naturgemäß fin­det sie Parallelen zwischen dem Harmlo­sen und dem sich harmlos nur Gebenden. Hinter der heilen Welt lauert das Grauen.
Die heile Welt entspricht aber auch einer Sehnsucht und einer Seligkeit - diese de­nunziert die Künstlerin nie, deren Ausstel­lung mit Arbeiten aus den vergangenen sie­ben Jahren jetzt im Frankfurter Museum für Angewandte Kunst zu sehen ist.
„Glück" ist denn auch der lapidare Titel der Schau. So heißt eine Installation aus neun kleinformatigen Gemälden, in denen das private Miniaturuniversum eines deut­schen Menschen wiedergegeben wird. Da sind die reizenden Schoßhündchen, da gibt es eine Abbildung von vier Kamera­den aus dem Fußballverein, da ist eine jun­ge Frau mit ihrem Verlobten zu sehen, der in Wehrmachtsuniform steckt. Und beson­ders gefällt der stolze Bäcker, der ein Rie­senbrot hält, wofür er einen Pokal gewon­nen hat. Ein Potpourri der Gemütlichkeit, ein Verweis auf Eigenheiten hierzulande: für unsere Backwaren werden wir ja welt­weit gerühmt. Kühnemann bedient sich fo­tografischer Vorlagen, die sie in Malerei verwandelt, selbst die Rahmen der Bilder sind nach entsprechenden realen Objek­ten von ihr selbst gestaltet und bemalt wor­den. Überhaupt nutzt sie allenthalben vor­gefundenes Material, das sie zum Teil in
Antiquariaten auftreibt: Blätter zur „deut­schen Kunst" etwa oder Schulfibeln. Das Buch, in dem sie „deutsche Autos" in al­phabetischer Reihenfolge vorstellt, war ur­sprünglich ein Bildband über russische Iko­nen. Zur Ausstellung ist eine Art Katalog erschienen, in dem das Künstlerbuchuni­kat ,,'akt" vollständig reproduziert wird. Grundlage hier ist ein 1952 herausgekom­mener Band mit Aktaufhahmen von Willy Zielke, dem Kameramann Leni Riefen­stahls. Kühnemann hat den in schwülen Po­sen einen Kunstanspruch mühsam sugge­rierenden Modellen Hunde zugesellt und einen Text mit dem Titel ..Hundes­deutsch" beigefügt.
Eine andere Arbeit beschäftigt sich in serieller Manier mit den beliebten Schil­dern „Vorsicht, bissiger Hund". In Italien, wo Kühnemann das halbe Jahr verbringt, verzichtet man auf das Adjektiv „bissig". Daher hat sie auch Schilder mit der Auf­schrift ..Vorsicht. Hund" gemalt. Da fehle ja ein Wort, wurde sie geladelt. Die Deut­schen sind manchmal eben immer noch ty­pisch deutsch. MICHAEL HIERHOLZER
■ Bis 5. März. Geöffnet Dienstag bis Sonntag von
10 bis 17, Mittwoch bis 21 Uhr.
Führerporträt im Staubsaugerbeutel
Das Museum für Angewandte Kunst zeigt die ganz eigenen Spielereien der Burgi Kühnemann
VON SANDRA DANICKE
ne ausgeprägte Vorliebe. Deshalb hat sie sich etwa das 1952 erschienene Buch Nackt - Ein­führung in die Aktfotografie von Willy Ziel-ke vorgenommen, der vor allem als Kamera­mann von Leni Riefenstahls Olympia-Film bekannt wurde, um darin sämtliche Aktauf­nahmen mit gemalten Hunden zu ergänzen. Struppi, Bulli und Rex sind aufgeregt ob der splitternackten Damen, wollen spielen oder umarmt werden und lechzen regelrecht nach den Schönheiten. Natürlich geht es um Män­nerfantasien, akt. Nebst eingeführter Hunde­malerei und einem Text in Hundedeutsch heißt das überarbeitete Buch, das jetzt als Ka­talog zu einer Ausstellung im Museum für Angewandte Kunst Frankfurt erschien.
Es kommt häufiger vor, dass sich Kühne­mann bereits vorhandene Bücher gleich-
sam als Dialogpartner vornimmt, etwa, wenn sie in ein Stickvorlagenheft Rudolph Mooshammer mit seiner Daisy hinein malt und Eva Braun mit ihren Lieblingshunden Stasi undNexus, oder wenn sie einen Buch­umschlag abmalt, auf dem Thomas Mann mit einem Schäferhund zu sehen ist. Meist geht es um Vorlagen, in denen schöne Frau­en, starke Männer oder eben treue Hunde vorkommen. Modekataloge zum Beispiel überarbeitet Burgi Kühnemann mit flot­tem Pinselstrich und ergänzt sie mit Spit-zendeckchen. Bisweilen erfindet die Rhein­länderin auch ganze Fotoalben (jedes „Fo­to" ist gemalt) mit fiktiven Familienge­schichten und lässt Leerstellen dort, wo nach 1945 womöglich eine Fotografie wie­der entfernt worden ist.
Seit sie zur Hälfte in Italien lebe, sei ihr das Deutsche an Deutschland erst richtig be-wusst geworden, erklärt Burgi Kühnemann. Für Vatis Schreibtisch heißt eine Reihe ge­malter Bilder im Aufstellrahmen, sie zeigen meine Frau, mein Kind, mein Hund und ich als Held in Uniform. Der Titel der Frankfur­ter Schau, „Glück - Gemälde und Alben", be­zieht sich auf eine Serie kleinformatiger Ma­lereien, die Momente deutschen Glücks ab­bilden: der erste VW, um den sich die Fami­lie stolz herum gruppiert hat, der erste ge­wonnene Pokal, eine DDR-Turnerin in akro­batischer Pose.
Man könnte mit Fug und Recht behaup­ten, dass Burgi Kühnemann auf Klischees he­rumreitet. Allerdings tut sie dies so spiele­risch und ohne Häme, dass man ihr daraus keinen Vorwurf machen möchte.
Museum für Angewandte Kunst, Schau­mainkai 17 in Frankfurt: bis 5. März, Di.-So. 10-17 Uhr, Mi. 10-21 Uhr. www.museumfuer-angewandtekunst.frankfurt.de
Es gibt Menschen, die reagieren empfind­lich, weil Burgi Kühnemann so häufig kleine Hitlerfiguren malt. Deshalb kam die Künst­lerin eines Tages auf die Idee, ihre tatsäch­lich niedlich anmutenden Führerporträts in einen Staubsaugerbeutel zu stecken. Jetzt schaut man durch das kreisrunde Loch, an dem normalerweise das Staubsaugerrohr ansetzt, wie durch ein Schlüsselloch und sieht Hitler wie er lieb einen Hund streichelt. Für Burgi Kühnemann, die in diesem Jahr siebzig Jahre alt wird, ist Hitler kein Tabu, sondern schlichtweg etwas Deutsches. So deutsch wie Rotkäppchen oder ein Schild mit der Aufschrift „Vorsicht Hund". Für Hun­de wiederum hat die Malerin offenkundig ei-
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Aus Burgi Kühnemanns Buch „akt. Nebst eingeführter Hundemalerei.